Grundlagen von on- und offline Nudging

Was ist Nudging?

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Quelle: Ausschnitt aus Thaler und Sunstein (2008).

 

Nudging ist ein verhaltensökonomischer Ansatz, durch den Menschen zu „besseren“ Entscheidungen geleitet werden sollen. Was gewählt wird, hängt hierbei von der Präsentation der Entscheidungsalternativen ab. Das gezielte Lenken der Aufmerksamkeit durch die Gestaltung der entsprechenden Option sieht dabei völlig von Verboten oder Veränderungen ökonomischer Anreize ab.

Der Begriff Nudge beschreibt per Definition eine Methode, um „das Verhalten von Menschen zu beeinflussen, ohne dabei auf Verbote und Gebote zurückgreifen oder ökonomische Anreize verändern zu müssen“ (Thaler und Sunstein 2008). Nudging, aus dem englischen übersetzt, bedeutet soviel wie anstupsen und beschreibt das sanfte Lenken individueller Entscheidungen in eine bessere und demnach wohlfahrtsfördernde Richtung. Man könnte also sagen, es wird versucht, den Menschen mit einem Nudge einen Stups in die richtige Richtung zu geben. 

Nudging bedeutet also, dass  das Verhalten von Menschen ohne Regeln oder Verbote in eine bestimmte Richtung gelenkt wird, indem eine vermeintlich bessere Alternative attraktiver gestaltet wird. Nudging kann demnach eine Vielzahl von Ansätzen in verschiedenen Bereichen beinhalten, um Entscheidungen zu beeinflussen. Was gewählt wird, hängt oft davon ab, wie die Entscheidungen präsentiert werden. Individuen tendieren beispielsweise dazu, voreingestellte Optionen eher anzunehmen als diese zu verändern (Zhang und Xu 2016).

Zentral im Konzept des Nudgings ist deshalb die Annahme, dass in jeder Entscheidungssituation eine spezifische Entscheidungsarchitektur besteht, die das schlussendliche Verhalten des Individuums maßgeblich beeinflusst. Eine Entscheidungsarchitektur besteht aus einer Vielzahl an Elementen und diese Elemente sind von außen veränderbar. Und genau hier setzt das Konzept des Nudgings an. Nudges versuchen, die Entscheidungsarchitektur so zu gestalten, dass ein bestimmtes Verhalten resultiert. Individuen sollen auf Basis von Nudges die Alternativen wählen, welche sie unter vollständigen Informationen sowie bei ausreichender Selbstkontrolle wählen würden (Thaler und Sunstein 2008).

Die Erfinder des Nudgings sprechen hierbei auch vom liberalen Paternalismus, also so etwas wie freiheitlicher Bevormundung, quasi ein Widerspruch in sich. Das Prinzip des liberalen Paternalismus bedeutet, dass ein Individuum zu jeder Zeit eine Entscheidungsoption frei wählen kann (Liberalismus-Komponente). In seiner Entscheidungsfreiheit ist das Individuum dabei nicht eingeschränkt, da keine der Optionen verboten und auch der wirtschaftliche Anreiz der Alternativen nicht bemerkenswert verändert wird. Das Individuum wird stattdessen zu der Entscheidungsoption genudged (gestupst), die für dieses den vermeintlich größten Nutzen darstellt (Paternalismus-Komponente) (Mirsch et al.).

Take Home Message: 

  • Umgebungsfaktoren beeinflussen Entscheidungen
  • Wirkung ohne Verbote
  • Vereinigung des „Widerspruchs“ des liberalen Paternalismus
Für mehr Informationen siehe Paper: Ansatz zur Umsetzung von Datenschutz nach der DSGVO im Arbeitsumfeld: Datenschutz durch Nudging.

Weiterführende Literatur:

Mirsch T., Lehrer C., Jung R.: Making Digital Nudging Applicable: The Digital Nudge Design Method: Thirty Ninth International Conference on Information Systems, San Francisco.

Thaler, R. H.; Sunstein, C. R.: Nudge. Improving decisions about health, wealth, and happiness. Yale University Press, New Haven, 2008.

Zhang, B.; Xu, H.: Privacy Nudges for Mobile Applications: Effects on the Creepiness Emotion and Privacy Attitudes. In (Gergle, D. et al. Hrsg.): Proceedings of the 19th ACM Conference on Computer-Supported Cooperative Work & Social Computing – CSCW ’16. ACM Press, New York, New York, USA, 2016; S. 1674–1688.

Digitales Nudging

Entscheidungsarchitektur und Ethik

Beispiele von verschiedenen Nudges

EXAMPLES how 2 nudge

Die Default Rules (Standardeinstellungen) sind die wirksamste Art von Nudges. Dies mag damit zu erklären sein, dass Menschen dazu neigen, dem zu folgen was ihnen angeboten wird bzw. was voreingestellt ist. Nudges geben hier einen optimalen Standard vor, der für den Einzelnen oder die Gesellschaft am besten ist. So können beispielsweise Stromanbieter standardmäßig Öko-Strom für Neukunden anbieten. Wer lieber konventionellen Strom beziehen möchte, muss aktiv widersprechen. Da dies jedoch die wenigsten tun, wird ganz ohne Vorschriften mehr grüne Energie bezogen (Sunstein 2014).

Neben den Default Rules erwies es sich als äußerst wirksam, die Menschen darüber zu informieren, was der Großteil der Menschen in derselben Situation getan haben. Wer schonmal in einem Hotel im Urlaub war, kennt es: Hinweise nach dem Motto „9 von 10 Hotelgästen verwenden ihr Handtuch mehrmals“ (Sunstein 2014).

Es hilft im Weiteren nicht nur, die Menschen darüber zu informieren, was andere getan haben. Es hilft auch, den Menschen Informationen oder die Konsequenzen ihres Handelns offenzuegen.

Auch kleine Reminder (Erinnerungen) helfen den Menschen dabei, in Momenten der Vergesslichkeit oder Unachtsamkeit, sich für die bessere Option zu entscheiden (Sunstein 2014).

In verschiedenen Bereichen fehlt es den Menschen an Zeit, sich ausreichend mit Entscheidungssituationen zu beschäftigen. So stiftet eine hohe Komplexität in Entscheidungssituationen Verwirrung und führt zu Problemen. Demnach sollte die Vereinfachung von Formularen oder Vorschriften eine höhere Priorität haben und somit die Entscheidungssituationen für die Menschen erleichtern.

Aus gegebenen Anlass ist hier das Beispiel Corona zu nennen: mittlerweile gibt es fast überall bereitgestellte und damit leicht zugängliche Desinfektionsmittelspender oder Hinweise auf Fußböden zum Einhalten des Mindestabstands, die uns allen Tag für Tag einen kleinen Stups geben.

Take Home Message:

  • Vereinfachung der Entscheidungssituation für Zeitersparnis
  • Kleine Reminder für Momente der Vergesslichkeit oder Unachtsamkeit
  • Nudging für mehr Abstand in der Corona-Pandemie

Weiterführende Literatur:

Sunstein, Cass R. (2014). Nudging: A Very Short Guide. Journal of Consumer Policy 37.