Szenarien für (Privacy) Nudging

Copyright: Ludmilla Parsyak, Fraunhofer IAO

Das Innovationslabor für Arbeit, Mensch und Technik macht die Gestaltung zukunftsorientierter Arbeitskonzepte für Unternehmen, Verbände, Mitarbeitende und Gewerkschaften erfahrbar. 

 

Digitalisierung und Industrie 4.0 verändern die Industriearbeit drastisch. Immer mehr innovative Lösungen werden technisch möglich. Doch wie sieht die Industriearbeit der Zukunft aus, was passt zu Ihrem Unternehmen und wie implementieren Sie erfolgreich? Mit dem Future Work Lab eröffnete am 02.02.2017 ein Zentrum, in dem Sie die Industriearbeit der Zukunft live erleben können. Der Fokus der aktuellen Arbeit liegt darauf, die KI für die Fabrik von morgen nutzbar zu machen und neue Anwendungsfälle zu schaffen.

In den drei Welten machen wir die Zukunft der Arbeit erlebbar. Unsere Demonstratorenwelt stellt in verschiedenen Szenarien die gesamte Breite der Industriearbeit der Zukunft greifbar dar. Erleben Sie hier live, virtuell oder vor Ort wie Arbeitsplätze mit Elementen der Digitalisierung gestaltet werden können.

Teil des Labs ist die „Lernwelt“ als Kompetenzentwicklung- und Beratungszentrum, in der sich alle Beschäftigen- und Interessengruppen informieren, qualifizieren und gemeinsam über mögliche Entwicklungen zukünftiger Arbeitswelten diskutieren können. Es verbindet somit die Vermittlung konkreter Industrie 4.0-Anwendungen mit Angeboten zur Kompetenzentwicklung und integriert den aktuellen Stand der Arbeitsforschung.

Die Ideenwelt stellt die aktuellsten Themen in den Mittelpunkt von Forschung, Innovation und Dialog bereit. Sie ist die Plattform für den Austausch über und für die Entwicklung von neuen Lösungen auf Basis von cyber-physischen Systemen für die Produktionsarbeit der Zukunft.

Anwendungsfall Produktion

How 2 nudge a manufacture

Die Digitalisierung der Produktion schreitet stetig voran. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien ermöglichen es dabei neue Nutzenpotenziale einzusetzen. Die Komplexität in den Arbeitsinhalten für die Mitarbeitenden, u. a. durch Losgröße 1 verursacht, kann durch digitale Assistenzsysteme bspw. an Montagearbeitsplätzen besser reduziert werden. Die Systeme stellen abgestimmt auf das Qualifikationsniveau der Mitarbeitenden und dem jeweiligen Arbeitsschritt kontextbezogen die Informationen bereit, welche zur Erledigung der Arbeitsaufgabe notwendig sind. Die Sammlung und Verarbeitung unterschiedlichster Daten am Arbeitsplatz spielt dabei eine entscheidende Rolle. Um den Mitarbeitenden bestmöglich zu assistieren ist es erforderlich, durch unterschiedliche Sensorik den Arbeitsplatz zu kontrollieren. Es ist jedoch weiterhin sorgfältig abzuwägen, welche Daten erhoben und verarbeitet werden, da dabei u. a. personenbezogene Daten miteinfließen können. Die Verarbeitung von Daten steht daher in einem ambivalenten Spannungsfeld möglichst großen Nutzen aus Daten zu gewinnen und gleichzeitig über die Datensparsamkeit dem Datenschutz und im Besonderen dem Schutz personenbezogener Daten einzuhalten. Genau dort setzt das Privacy Nudging an, welches anhand unterschiedlicher Nudging-Typen den Mitarbeitenden in die Lage versetzt selbstbestimmter und besser mit den eigenen personenbezogenen Daten umzugehen.

 

In der Customer Journey Map (visuelle Darstellung der Interaktion eines Kunden mit einem Unternehmen oder einer Website) sind exemplarisch einzelne Arbeitsschritte an einem Montagearbeitsplatz für den Mitarbeitenden dargestellt: Ankommen am Arbeitsplatz und Arbeitsaufgabe auswählen, Aufgabe verstehen und vorbereiten, Arbeitsaufgabe durchführen, Arbeitsaufgabe beenden und letztlich das Abmelden vom Arbeitsplatz. Hier ergeben sich im jeweiligen Arbeitsschritt auf das Qualifikationsprofil abgestimmte Informations- oder zusätzliche Qualifikationsbedarfe für den Mitarbeitenden. Unterschiedliche Arten von Privacy-Nudges können dabei eingesetzt werden, um dem Mitarbeitenden im Umgang mit personenbezogenen Daten am Arbeitsplatz zu sensibilisieren. Allgemeine Informationen zum Datenschutz mit einem Info-Nudge, zum Status-Quo der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten oder mit einer Datenampel.. Ein weiteres Beispiel kann ein Social-Nudge sein, der anzeigt, wie andere Mitarbeitende in derselben oder ähnlichen Situation mit ihren personenbezogenen Daten am Arbeitsplatz umgehen. Weitere Informationen zu den beschriebenen Privacy Nudges erhalten Sie auf den jeweiligen Info-Seite.

Take Home Message:

  • Nutzen von Assistenztechnologien mit Datenschutz vereinbaren
  • Mehr Selbstbestimmung der Mitarbeitenden ermöglichen
  • Bewusste und dynamische Anpassung der Assistenz an den Bedarf und Erfahrungsgrad des Mitarbeitenden
  • Nudging im Arbeitsprozess greifbar machen
  • Social Nudging: aktive Kapazitätsanpassung bei demokratisierter Schichtplanung
  • Info Nudge: durch Transparenz der Vorgänge eine selbstbestimmte Datenverarbeitung ermöglichen
  • Datenampel: farblich markierte und somit leicht verständliche sowie veränderbare Privatsphäre-Einstellungen für die Datenfreigabe

Die Datenampel

Directed by the light

Die Verarbeitung von Daten steht in einem ambivalenten Spannungsfeld möglichst großen Nutzen aus Daten zu gewinnen und gleichzeitig über die Datensparsamkeit dem Datenschutz und im Besonderen dem Schutz personenbezogener Daten gerecht zu werden. Vor allem am Arbeitsplatz und im Verhältnis zu unterstützenden Assistenzsystemen, wie bspw. Amazon Alexa, ist die Frage, welcher Grad der Unterstützung gewährleistet werden kann, stark von der Menge der Freigegeben Daten abhängig. Gleichzeitig gelten am Arbeitsplatz besonders hohe Anforderungen an den Schutz der personenbezogenen Daten, um einer unverhältnismäßigen Kontrolle des Mitarbeitenden entgegenzuwirken.  Da der individuelle Nutzen des Assistenzsytsems häufig vom Nutzer selbst am besten eingeschätzt werden kann, sollte der Nutzer auch eine möglichst leicht verständliche Übersicht über die nötigen Daten zur Verfügung gestellt bekommen. Folgender Vorschlag geht darauf ein, wie die Übersicht über die genutzten Daten leicht verständlich über eine „Datenampel“ dargestellt werden kann. Analog wie Inhaltsstoffe durch eine Nährwerttabelle abgeleitet werden, werden hier Daten in einem übersichtlichen Ampel-Format grafisch dargestellt und lassen sich über eine interaktive Oberfläche nach Wunsch anpassen.

 

Die Datenampel ermöglicht es am Arbeitsplatz möglichst flexibel den Nutzen aus Assistenzystemen und den Anforderungen des Datenschutzes gerecht zu werden. Da viele Mitarbeiter weder das technische noch das rechtswissenschaftliche Hintergrundwissen mitbringen, um mit den komplexen Wechselwirkungen von modernen Softwareassistenzsystemen umzugehen, bedarf es einer einfach zu verstehenden Übersicht, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Datenampel stellt die aktuell genutzten Daten in einer visuellen Übersicht dar und ermöglicht dem Mitarbeitenden ein individuelles, bedarfsorientiertes Anpassen der freigegebenen Daten.
Bei der Bewertung der Daten können folgende Parameter eine entscheidende Rolle spielen:

1. Welche Daten werden verarbeitet
2. Wo werden sie verarbeitet oder gespeichert
3. Zu welchem Grad lassen sich aus den Daten personenbezogene Informationen gewinnen.

Je nach Bedarf kann der Mitarbeitende die Datenfreigabe deaktivieren oder für eine detailliertere Assistenzfunktion freigeben. Dies ermöglicht sowohl die Kontrolle über die eigenen Daten als auch die Möglichkeit von der Verarbeitung der Daten zu profitieren.

Take Home Message:

    • Vereinfachte, einheitliche Darstellung der aktuellen Datennutzung
    • Einfaches Navigieren durch sämtliche Anwendungsfelder (Datentypen und Rechtsbereiche) für individuelle Privatsphäre-Einstellungen
    • Vorzüge von Datenverarbeitung mit Datenschutz vereinbaren und Mitarbeitende mehr in Entscheidungsprozesse integrieren

Der Social Nudge

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Um die Menschen in den Mittelpunkt unternehmerischen Handelns zu stellen, muss ihnen zukünftig mehr Verantwortung und Selbstständigkeit eingeräumt werden. Es sind auch neue Arbeitsverhältnisse nötig um die Flexibilität, Anpassungs- und Überlebensfähigkeit von Unternehmen zukünftig zu sichern. Die Führung einer solchen komplexen Arbeitswelt kann nur unter Berücksichtigung der Motivationen des Unternehmens und der Mitarbeiter gelingen (Bullinger et al. 2009). Mithilfe bewusst gesetzter „Social Nudges“ kann es gelingen an gewünschter Stelle in den Arbeitsalltag einzugreifen, ohne dabei die Vorteile individueller Entscheidungsfreiheit und Flexibilität zu verletzten. Dabei kann ein gewünschtes Verhalten mit Hilfe von Informationen zur „Peer Group“ des Mitarbeitenden befördert werden. Das heißt, der Mitarbeitende wird indirekt durch die Peergroup zu einer Handlung animiert. Wichtig ist hierbei, dass mit dem „Social Nudge“ die individuelle Selbstbestimmung und Flexibilität des Mitarbeitenden bestehen bleiben und keine Verordnungen Seitens des Unternehmens genutzt werden müssen.

 

Je nach Auslastung kann das Unternehmen für extra Schichten mit „Social Nudging“ ein bestimmtes Verhalten fördern und gleichzeitig die konkrete Ausgestaltung der Schichtplanung den Mitarbeitenden selbst überlassen. Die dynamische Anpassung des Kapazitätsbedarfs kann durch die Stärke der Beeinflussung nach Verordnung, Peer Pressure und Peer Influence abgestuft werden und somit der Dringlichkeit der Auslastungen gerecht werden. Zudem kann ein „Wir Gefühl“ zu einer verstärkten Leistungsbereitschaft beitragen. Um dieses besondere Leistungspotential zu heben, kann der Mitarbeitende auf freiwilliger Basis der Teilnahme an einer extra Schicht im Intranet oder der Planungssoftware teilen und somit eine direkte Peergroup animieren auch an dieser Schicht teilzunehmen.

Die Stärke der Beeinflussung pendelt zwischen folgenden Parametern:

  1. Keine Vorgabe: keine Regelung nötig. (sehr weich)
  2. Peer Influence: „60% ihrer Kollegen übernehmen eine extra Schicht pro Quartal.“ (weich)
  3. Peer Pressure: „60% ihrer Kollegen erwarten, dass sie als Kollege mindestens eine extra Schicht pro Quartal übernehmen.“ (mittel)
  4. Verordnung: „Jeder Mitarbeiter muss mindestens eine extra Schicht pro Quartal übernehmen.“ (sehr invasiv)

Übertragen auf die Schichtarbeit kann mit „Social Nudging“ eine atmende Kapazitätsbereitstellung gestaltet werden und gleichzeitig Selbstbestimmung und Unternehmensinteressen vereinbart werden.

 

Take Home Message:

  • soll motivieren die Schicht zu übernehmen
  • soll ein Wir-Gefühl stärken
  • soll dem Mitarbeitenden in seinem Stolz bestärken die Schicht zu übernehmen

Der Info-Nudge

how 2 inform

Der Mitarbeitende wird an geeigneter Stelle von einem Assistenzsystem in seinem Arbeitsalltag unterstützt. Diese Assistenzsysteme nutzen für eine möglichst leichte und effektive Bedienbarkeit die Möglichkeiten des „Persuasive Computing“. Um dabei das für den individuellen Mitarbeitenden optimale Verhältnis zwischen Unterstützung und Selbstbestimmung zu gewährleisten, sollte der dieser regelmäßig über die verarbeiteten Daten informiert werden. 

 

Mitarbeitende sind mit einer Vielzahl von unterschiedlichsten Informations- und Kommunikationstechnologien umgeben. Häufig unterstützen diese Technologien den Mitarbeitenden direkt oder indirekt bei einer Tätigkeit und tragen so maßgeblich zum Arbeitsalltag bei. Dieser Trend hin zu unterstützenden Technologien wird auch zukünftig ein Treiber der Digitalisierung der Arbeitswelt sein (Wenke et al. 2018). Somit werden sich gleichzeitig auch die Anforderungen an die Mitarbeitenden weiterentwickeln.. Um Mitarbeitenden in ihrem Arbeitsalltag sowohl durch softwaregestützte Systeme zu unterstützen als auch ihrem Recht auf Selbstbestimmungund dem Datenschutz gerecht zu werden, sollte in der Gestaltung von Assistenzsystemen eine Informationsfunktion über die Möglichkeiten der Privatsphäre Einstellungen integriert sein. Um dem Mitarbeitenden ein möglichst optimales Maß an Unterstützung wie auch Selbstbestimmung zu ermöglichen sollten diese „Info-Nudges“ nicht den Assistenzprozess behindern, sondern das „Persuasive Computing“ hinsichtlich immer weiterer Datenfreigaben als Gegengewicht ausbalancieren. Mögliche Parameter nach denen ein „Info-Nudge“ integrieret werden könnte sind:

1. Zeitlich: in einer für den Arbeitsfluss geeigneten Frequenz.
2. Nach Verrichtungsart:  beispielsweise am Beginn und am Ende eines Arbeitspakets.
3. Nach Erfahrungsstufe:  nach der individuellen Erfahrung des Mitarbeiters mit dem Assistenzsystem.

Während der „Info-Nudge“ sich mit der Einbettung von Informationen in den Arbeitsprozess an sich beschäftigt, geht die „Datenampel“ auf eine konkrete Möglichkeit ein, die häufig komplexen technischen und rechtlichen Inhalte möglichst intuitiv und einheitlich zu gestalten.

 

Take Home Message:

  • dynamische Anpassung der Privatsphäre Einstellungen
  • Selbstbestimmte Datenfreigabe zur Servicenutzung
  • Ausbalancieren von Nutzen des „Persuasive Computing“ und dem Recht auf Selbstbestimmung